Man muss sie nicht verstehen, die seltsame Veröffentlichungspolitik von ECHOLYN. Wichtig ist es, die Musik zu verstehen. Aber auch das fällt bei der Auslegung ihrer eigenartig- wie eigenständigen progressiven Klangwelten voller Stimmungswechseln nicht immer leicht. Spannend ist es allemal. Egal, ob sie nun wie bei „Time Silent Radio II“ auf zwei Longtracks oder wie bei „Time Silent Radio VII“ auf sieben kürzere Stücke zurückgreifen.

Jedenfalls haben die Prog-Amis aufgrund ihrer überraschenden wie unberechenbaren Veröffentlichungen nach langer Zeit der Stille nunmehr gleich zwei CDs parallel zueinander rausgehauen, die zwar selbst von der Verpackung und dem Titel her sich extrem ähneln, aber nicht etwa als Doppel-Album erscheinen, sondern jede eigenständig für sich. Verpackt in einem Digipak und versehen mit einem dicken Booklet, in dem sich alle Texte befinden.

Nun sind es also bereits zehn Jahre her seit „I Heard You Listening“ her und danach wurde entgegen dem damaligen Albumtitel nichts mehr von ECHOLYN gehört. Dabei war unser Kollege Schiffmann so begeistert und stellte überschwänglich in seinem Fazit fest: „ECHOLYNs stärkste Scheibe seit 'The End Is Beautiful'“ und bezog sich damit auf ein Album, das ebenfalls zehn Jahre zurücklag. Also: ECHOLYN scheinen im jeweiligen Zehnjahresrhythmus für absolut hochwertige Prog-Qualität zu stehen. Und ja – das bestätigen sie nunmehr auch mit „Time Silent Radio II“. Das Album mit den zwei Song-Epen, angekündigt mit der „II“ im Titel. Bei der „VII“ sind es dann sieben Songs.

Beide Alben entstanden aus Anlass des 30-jährigen Erinnerns an ECHOLYNs 1995er-Album „As The World“. Und natürlich entdecken wir hierbei tatsächlich so einige Parallelen zu ihrem damals schon begeistert aufgenommenen Album. Danach schienen sich ECHOLYN, die sich Anfang der 1990er-Jahre gegründet hatten, aufzulösen.

„Time Silent Radio II“ wildert nicht komplex durch die Prog-Geschichte, sondern ist insgesamt recht ruhig, harmonisch sowie melodisch und als eine angenehme Mischung von symphonischen wie akustischen Elementen mit dem gewohnt guten Gesang, der immer wieder auch durch feine, perfekt abgestimmte Satzgesänge besticht, ausgefallen. Viel Hymnisches, ja mitunter auch Pathetisches erwartet den Hörer beim Genießen der beiden Longtracks von knapp 17 Minuten und einer halben Stunde Laufzeit.

Das wirklich Spannende an „Time Silent Radio II“ aber ist, dass man recht verzweifelt nach Parallelen zum Vergleichen sucht. Das ist kaum möglich. ECHOLYN spielen in ihrer eigenen Liga. Vielleicht lassen sie sich gerade darum so viel Zeit zwischen den Veröffentlichungen ihrer Musik, die nicht nur durch diese progressive Epik sondern auch die interessanten Texte besticht – und in diesem Falle durchaus eine gewisse Atmosphäre eines Solo-Albums von ROGER WATERS, allerdings ohne all die überladenen Sound-Effekte, mit sich bringen.

ECHOLYN selber stellen hierzu unter ihrer Homepage fest: „Die Alben sind Meditationen über die Zeit und die in ihr innewohnenden Strömungen des Wandels.“
Das passt bestens.
Also gilt: „Time Silent Radio II“ ist ein neues Album der progressiven Amerikaner, die sehr viel Wert auf Harmonie und Spannung sowie ein hochwertiges Songwriting legen. Ohne es auch nur ansatzweise abwertend zu meinen (das kann bei progressiven Besprechungen vom Leser immer mal schnell falsch verstanden werden) klingen ECHOLYN wie die SIMON & GARFUNKEL des Progressive Rock. Chapeau!